Plenumsvorträge und Foren 2017

Plenumsvorträge

Plenumsvortrag: „Zwischen Frühen Hilfen und Schutzauftrag – Die Kinder- und Jugendhilfe im Zeichen des Kinderschutzes“ von Prof. Dr. Reinhold Schone (Fachhochschule Münster)

Den Auftakt des 4. Jugendhilfetags Wuppertal machte Prof. Dr. Reinhold Schone mit seinem Plenumsvortrag zum Thema „Zwischen Frühen Hilfen und Schutzauftrag – Die Kinder- und Jugendhilfe im Zeichen des Kinderschutzes“. Wie wird eine Gefährdung definiert, wo beginnt eine Gefährdung und auf welchen fachlichen und rechtlichen Grundlagen findet die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung statt? Mit dem Versuche, diese und weitere Fragen zu beantworten sowie anhand einer Vielzahl begrifflicher Klärungen und systematischer Verknüpfungen zeigte Prof. Schone nachdrücklich, dass Kinderschutz immer Prävention und Intervention zugleich ist. Er verband damit zugleich die Notwendigkeit, eine Verortung der Kinder- und Jugendhilfe in ihrer vielfältigen Gesamtheit zwischen Förderung, Prävention und Intervention vorzunehmen. Der Vortrag endetet mit einem dringenden Appell, die Kinder- und Jugendhilfe nicht auf Aufgaben des Kinderschutzes zu begrenzen, sondern die Breite ihrer unterschiedlichen Ansätze und Möglichkeiten zu nutzen.

 

(Die Folien zu dieser Präsentation finden Sie in dieser PDF und Hinweise zu vertiefender Literatur zu diesem Vortrag in dieser PDF)

 

Plenumsvortrag: „Vielfältige Lebenswirklichkeiten von Familien brauchen vielfältige Professionalität!“ von Ulrike Bavendiek (Diakonie Düsseldorf)

Mit ihrem abschließenden Plenumsvortrag thematisierte Ulrike Bavendiek die vielfältigen Lebenswirklichkeiten von Familien heute und die damit verbundenen Anforderungen an die pädagogische Professionalität der Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe heute. Die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse wie z.B. die Pluralisierung der Lebensformen, die zunehmende Komplexität von Lebenslagen oder die Individualisierung der Sicht auf Kinder und Familie bedeuten nicht nur Herausforderungen und Unsicherheiten für die Eltern, sie erfordert auch eine Anpassung der pädagogischen Arbeit. Der Anspruch an die pädagogische Fachlichkeit laute: Vielfältige Lebenswirklichkeiten von Familien brauchen vielfältige Professionalität, welche mit einem neuen Selbstverständnis der Fachkräfte einhergehen muss.

 

(Die Folien zu dieser Präsentation finden Sie in dieser PDF)

 

Foren

In sieben parallel stattfindenden Foren wurden verschiedene aktuelle Thematiken der Kinder- und Jugendhilfe, jeweils fokussiert auf die Perspektive der AdressatInnen, vorgestellt und diskutiert.

Forum 1: Zur Bedeutung von Bindung und Beziehung in der Kinder- und Jugendhilfearbeit

Dieses Forum setzte sich mit der Bedeutung von Bindung und Beziehung in der Kinder- und Jugendhilfe auseinander. Zunächst wurden die Kernelemente von Beziehungen, der Zusammenhang von Lebensgestaltung sowie die Besonderheiten des intermediären Raums von Beziehungen thematisiert. Auch flexible Erziehungshilfen basieren grundlegend auf den Beziehungen zwischen KlientInnen und HelferInnen. Neben klaren Begegnungen oder den Prinzipien wie Allparteilichkeit oder Partizipation bedarf es drei wesentlicher ineinandergreifender Grundhaltungen – Authentizität, Empathie und Akzeptanz – innerhalb der KlientInnen-HelferInnen-Beziehung. Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt bildete die Thematisierung der Gefahr zur Affizierung in Beziehungen. Anhand zweier verschiedener Kontexte – Beziehungen bei psychischen Erkrankungen und Beziehungsbesonderheiten bei Pflegschaftsverhältnissen – wurden die jeweils spezifischen Bedeutungen von Bindung und Beziehung bearbeitet.

 

Referentin: Dr. Gila Friedrich (Praxis Houben und Friedrich, Wuppertal)

 

Moderation: Cyrus Adib

 

(Die Folien zu dieser Präsentation finden Sie in dieser PDF)

 

Forum 2: Aktuelle Migration und pädagogisches Handeln in der Kinder- und Jugendhilfe

Unter Rückgriff auf das Forschungsprojekt „Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in der Schule“ des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache und des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln wurde in diesem Forum zunächst ein Überblick über die Daten neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher in Deutschland gegeben. Auf dieser Grundlage erfolgte eine Darstellung der Problemfelder sowie der Aufgaben, die sich für das (sozial-)pädagogische Handeln und die gesellschaftliche Inklusion im Kontext gegenwärtiger Migration ergeben. Am Beispiel des Projekts „PROMT“ am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln erhielten die TeilnehmerInnen des Forums in exemplarischer Weise einen Einblick in die Praxis der Professionalisierung von Lehramtsstudierenden, wie pädagogisch produktiv mit den erarbeiteten Herausforderungen im Kontext von Fluchtmigration umgegangen werden kann.

 

Referentin: Mona Massumi (Abgeordnete Lehrerin im Bereich Migration und Diversität; Universität Köln)

 

Moderation: Jimmy Adrian

 

(Die Folien zu dieser Präsentation finden Sie in dieser PDF)

 

Forum 3: Entkoppelt vom System – Junge Menschen von der Jugendhilfe nicht mehr erreichbar?

Das Forum „Entkoppelt vom System – Junge Menschen von der Jugendhilfe nicht mehr erreichbar?“ stellte Kinder und Jugendliche, welche die Systeme der Erziehungshilfe ‚sprengen‘, in den Mittelpunkt. Dieses „Hoch-Risiko-Klientel“ befindet sich häufig, so Prof. Baumann, in einer durch Brüche gekennzeichneten und negativ geprägten Interaktionsspirale mit den Hilfesystemen der Kinder- und Jugendhilfe. Zusätzlich zu Problematiken in der Fallsteuerung und der damit einhergehenden Frage, warum eine bestimmte Hilfeform ausgewählt wird, verortete der Referent eines der Hauptprobleme hierbei in der häufig nicht ausreichend beantworteten Frage nach der Indikation. Thematisiert wurden zudem die Effekte intensivpädagogischer Hilfen und die Frage, welche Hilfen von wem, wann und warum als hilfreich erfahren werden. Deutlich wurde, dass einer wesentlich an der individuellen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen orientierten Hilfe im Rahmen des Fallverstehens bei Jugendlichen mit schwierigen Hilfeverläufen eine besondere Bedeutung zukommt.

 

Referent: Prof. Dr. Menno Baumann (Fliedner Fachhochschule Düsseldorf)

 

Moderation: Dirk Lünenschloß

 

(Die Folien zu dieser Präsentation finden Sie in dieser PDF)

 

Forum 4: Übergänge ins Erwachsenenleben – Junge Menschen in der Jugendhilfe

Das vierte Forum stand unter dem Thema „Übergänge ins Erwachsenenleben – Junge Menschen in der Jugendhilfe“. Dieter Göbel befasste sich in seinem Vortrag neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen auch mit Fragen, in welchem Umfang junge Volljährige Hilfen nach § 41 SGB VIII in Anspruch nehmen und welche Begründungen für eine Gewährung der Hilfe angeführt werden. Ein weiterer Schwerpunkt bezog sich darauf, mit welchen Problematiken sogenannte „Care leaver“ nach Hilfeende konfrontiert werden. Ein internationaler Vergleich mit den Übergangsbegleitungen mit Norwegen und Großbritannien verdeutlichte, dass im deutschen Jugendhilfesystem an dieser Stelle Nachholbedarf besteht.

 

Referent: Dieter Göbel (Landesjugendamt Rheinland)

 

Moderation: Ulrich Fischer

 

(Die Folien zu dieser Präsentation finden Sie in dieser PDF)

 

Forum 5: „Er gibt mit halt Tipps, ohne die ich vielleicht nicht mehr hier sitzen würde“ – Wie NutzerInnen die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sehen

Die Frage, wie NutzerInnen die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sehen, wurde unter Rückgriff auf die Erkenntnisse aus der sozialpädagogischen Nutzerforschung, welche von der Arbeitseinheit Sozialpädagogik an der Bergischen Universität Wuppertal verfolgt wird, fokussiert. Im Mittelpunkt des Interesses steht hier die Perspektive der NutzerInnen sozialer Dienstleistungen. Katharina Gundrum und Jacqueline Kunhenn entfalteten die theoretische Begründung dieser Herangehensweise, die grundlegenden Strukturelemente des Nutzens sowie zentrale Hinweise zum aktuellen Forschungsstand. Aus der Vielzahl an einzelnen Forschungsergebnissen wurden zwei Aspekte besonders herausgestellt: die Relevanz, die die NutzerInnen-Professionellen-Beziehung für den Verlauf des Nutzungsprozesses hat, und die Ambivalenz, die Regeln als institutionelle Merkmale für den Nutzungsprozessen entfalten können, nämlich sowohl als ein Nutzen für die Nutzerinnen oder Nutzer aber auch als eine Begrenzung des Nutzungs- bzw. Hilfeprozesses.

 

Referentinnen: Jacqueline Kunhenn M.A. (Universität Wuppertal), Katharina Gundrum M.A. (Universität Wuppertal)

 

Moderation: Prof. Dr. Andreas Schaarschuch

 

(Die Folien zu dieser Präsentation finden Sie in dieser PDF)

 

Forum 6: Keine Eltern zurücklassen: Partizipation von Eltern in den Hilfen zur Erziehung

Im Forum 6 berichteten Eltern sowie MitarbeiterInnen aus drei verschiedenen Projekten von ihren Erfahrungen aus der praktischen Elternpartizipation in der stationären und ambulanten Kinder- und Jugendhilfe:


Die Regelgruppen plus der Bergischen Diakonie beteiligten sich am Projekt „Partizipation von Eltern mit Kindern in stationären Erziehungshilfen“. Gemeinsam mit den Eltern wurden praktische Bausteine, wie z.B. eine Begrüßungsmappe, zur besseren Beteiligung von Eltern in der Einrichtung entwickelt.

 

Das Projekt „Kein Elternteil zurücklassen“ des Jugendamts Wuppertal (Beginn Oktober 2016) begleitet Eltern von jüngeren Kindern, die im Rahmen der §§ 42 oder 33/34 SGB VIII kurzfristig untergebracht werden, und ihre Kinder. Hierbei geht es insbesondere um die Klärung und Perspektiventwicklung für Eltern und Kinder sowie um die Unterstützung und Begleitung von Eltern, bei denen die Perspektive der Unterbringung ihres Kindes bereits geklärt ist.

Bei der Elterntrainingsgruppe des SKJ handelt es sich um ein stationäres Angebot zur Unterstützung der Rückführung und Reintegration der Kinder in den elterlichen Haushalt. Als ein Intensivangebot werden hier Familien über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten betreut, inklusive einer sich anschließenden sechs monatigen Nachbetreuung, nachdem die Kinder wieder bei ihren Eltern leben. Voraussetzung hierbei ist selbstredend, dass die Eltern sowie die ganze Familie eine Rückführung wünschen.

 

ReferentInnen: Eltern und MitarbeiterInnen berichten aus praktischer Elternpartizipation in stationärer und ambulanter Jugendhilfe.

 

Moderation: Christiane Brandl-Quilitz und Klaus Schmidt

 

(Die Folien zur Präsentation des Projekts „Kein Elternteil zurücklassen“ finden Sie in dieser PDF und die Folien zur Präsentation zur Elterntrainingsgruppe des SKJ hier)

 

Forum 7: Partizipation in den Hilfen zur Erziehung: Wer beteiligt wen?

Zu Beginn des Workshops wurde ein kurzer Film vorgeführt, in dem Jugendliche ihre Erfahrungen mit dem Hilfeplanverfahren aufzeigten. Daraufhin kam eine lebhafte Diskussion auf. Letztendlich war ein Fazit, dass es keine einheitliche oder standardisierte Vorgehensweise bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen geben kann. Vielmehr müssen die Jugendlichen von Beginn an einbezogen werden. Hierzu bedarf es eine vertraute Ebene aufzubauen, die auf verschiedenste Faktoren aufbaut: bekannte Personen, Abfrage wer nimmt teil, wo findet es statt, Gespräche mit und nicht über die Betroffenen.

 

Referent: Wilfried Stein (Verfahrensbeistand, Ombudschaft Jugendhilfe NRW, Supervisor)

 

Moderation: Reiner Massow